Haushaltsrede 2012
Sozialdemokratische Partei Deutschlands
Stadtratsfraktion Gräfenberg
Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
werte Kolleginnen und Kollegen,
uns liegt heute der Haushalt für das Jahr 2012 sowie der mittelfristige Finanzplan für die nächsten Jahre
zur Verabschiedung vor.
Zu Beginn bedanken wir uns wie alle Jahre bei Ihnen, Herr Steinlein, und bei Ihren Mitarbeitern für das umfangreiche, übersichtliche und ausgefeilte Zahlenwerk. Insbesondere bedanken wir uns für das stets offene Ohr für Vorschläge und Nachfragen. Wir schätzen Ihre Kooperationsbereitschaft und Hilfsbereitschaft sehr.
Wir haben die Eckdaten und Zahlen unseres Haushaltes und unseres Finanzplanes soeben vernommen. Der Haushalt der Stadt Gräfenberg, man kann es nicht anders bezeichnen, wäre für jedes privatwirtschaftliche Unternehmen der Bankrott. Der Kreditbedarf von eigentlich 1,4 Mio €, geschönt 1,1 Mio €, und mindestens ebenso negative Aussichten für die nächsten drei Jahre lassen keine andere Einschätzung zu.
Hat nun Gräfenberg über seine Verhältnisse gelebt? Prassen wir mit freiwilligen Leistungen? Gönnen wir uns goldene Löffel? Das alles ist sicherlich nicht der Fall. Zählt man sämtliche freiwilligen Leistungen zusammen, wird man die 100.000 € nicht erreichen. Gräfenberg scheitert schon an der Erfüllung seiner Pflichtaufgaben! Ein nicht zu leugnender Grund hierfür sind sicherlich die wenig attraktiven Standortfaktoren. Wir können weder einen Bahnanschluss für Güterverkehr noch Autobahnanschlüsse bieten und wir profitieren nicht vom Speckgürtel der Städte. Das will heißen, dass die wichtigste kommunale Einnahmequelle, die Einkommensteuerbeteiligung, aufgrund der Einkommensstruktur der Bürger nicht vergleichbar ist mit der einer stadtnahen Kommune. Das heißt aber keinesfalls, dass hier Resignation angesagt ist, sondern eben besondere Kreativität und unermüdliche Aktivität um alle Möglichkeiten, die wir haben, auch wahrzunehmen. Wer glaubt, das schon einmal gehört zu haben, liegt vollkommen richtig. Diese Forderungen stellt die SPD-Fraktion seit Jahren gebetsmühlenartig auf, allerdings mit mangelndem Erfolg.
Natürlich ist es momentan kaum möglich, sich aus eigener Kraft aus dieser misslichen Lage zu befreien, das wissen wir sehr wohl. Deshalb ist es unerlässlich – und die Fraktion der SPD hat dieses Problem bereits mehrfach thematisiert - den Bayerischen Staat in die Verantwortung zu nehmen und einen „Rettungsschirm“ für die Kommune zu verlangen. Auf der letzten Sitzung, in der unser Haushalt vorberaten wurde, forderten wir ausdrücklich umgehend tätig zu werden und im Zusammenhang mit den Forderungen der ehemaligen Grenzlandkommunen in München auf Unterstützung zu pochen. Ebenso formulierten wir auch mehrfach deutlich, dass wir nicht mit den üblichen Lippenbekenntnissen zufrieden sind, sondern Taten sehen wollen. Zudem plädierten wir dafür, unser Anliegen und unsere problematische Situation öffentlich zu machen. Angebliche Verhandlungen im stillen Kämmerlein führen zu nichts, hier kann nur öffentlicher Druck zum Erfolg führen. Wir hoffen sehr, dass in dieser Hinsicht ein schnelles Handeln erfolgt, nachdem uns der Bürgermeister gestern noch einmal zugesichert hat nicht zu warten, bis sich eine Gemeinschaft der betroffenen oberfränkischen Gemeinden formiert hat, sondern vorab für die Kommune in dieser Hinsicht tätig werden wird.
Ein zweiter Punkt, den die SPD-Fraktion auch bereits seit Jahren immer wieder anmahnt, ist die „Pflege“ der Einnahmenseite unseres Haushaltes. Natürlich werden wir durch die gegebenen Möglichkeiten nicht von heute auf morgen schuldenfrei, aber es ist sträflicher Leichtsinn, nicht jede Möglichkeit, die Einnahmestruktur Gräfenbergs zu verbessern, zu nutzen. Ich zitiere aus unserer Haushaltsrede 2011 und diese Aussage lässt sich getrost viel weiter zurückverfolgen: „Wir wünschen uns, dass unser Bürgermeister diese Themen in den nächsten Jahren zu seinem absoluten Schwerpunkt erhebt und hier den Großteil seiner Arbeitszeit und Arbeitskraft investiert“. Genau aus diesem Grund hatte der Stadtrat bereits zu Beginn dieser Legislaturperiode den Antrag unseres Bürgermeisters auf Genehmigung einer Nebentätigkeit für den Lohnsteuerhilfeverein abgelehnt und ihm diese Tätigkeit verboten. Nebenbei, in der freien Wirtschaft wird von einem leitenden Mitarbeiter dieser Gehaltsklasse auch ein voller Einsatz seiner Arbeitskraft ohne Überstundenzettel und Nebentätigkeit gefordert. Das ist nur recht und billig.
Bedauerlicherweise ließen sich jedoch auch im vergangenen Jahr keine gesteigerten Interessen geschweige denn Aktivitäten unseres Bürgermeisters erkennen. Hätte es in den letzten Jahren einem engagierteren, flexiblerem und kreativeren Einsatz zum Wohle der Stadt Gräfenberg gegeben, könnten wir definitiv einen Zuwachs an Arbeitsplätzen in guter zweistelliger Höhe verzeichnen. Ebenso könnte unser Scheunenviertel zum Teil saniert sein und eine neue Attraktivität wäre entstanden. Finanzkräftige Investoren, die ihre Liebe zu Gräfenberg entdeckt hatten, wurden durch Bürokratismus, mangelnde Flexibilität und Unwilligkeit vergrault. All das sind vergebene Chancen, Fehler, die nicht passieren dürfen. Dieses Verhalten stellt einen Imageverlust in der Wirtschaft dar, den wir uns nicht leisten können. Gräfenberg hat mittlerweile als Investitionsstandort einen denkbar schlechten Ruf.
Und auch in Bezug auf die Attraktivität für Zuzüge insbesondere junger Familien wird viel zu wenig getan. Eine Stadt, die einen einzigen maroden Spielplatz, der vor 16 Jahren als Wahlgeschenk der UWG entstanden ist, vorhält, die mit der Erstellung einer Kinderkrippe beginnt, wenn die Nachbargemeinden diesen Prozess bereits hinter sich haben usw. darf sich nicht wundern, wenn junge Familien lieber in den Nachbargemeinden ansiedeln.
Im Gegenzug verspricht man aber wider alle Vernunft weitere Investitionen, wohlwissend, dass sie nicht finanzierbar sind. Wohlgemerkt, wir sind nicht der Meinung, dass ein vollständiger Investitionsstopp sinnvoll ist. Aber es ist nicht tragbar, dass unser Bürgermeister überall, wo ein Bedarf gemeldet wird, Begehrlichkeiten weckt, statt diese zu bremsen. Es hat wohl Methode, dass den Bürgern der Mund erst wässrig gemacht wird. Anschließend legt man dem Stadtrat das Anliegen ohne jegliche Einschränkungsempfehlung vor. Zum Schluss werden dann die Stadträte als Buhmänner hingestellt, die sich aus Vernunft gegen ein Projekt aussprechen. Dieses Verhalten ist haushaltstechnisch verantwortungslos und unredlich.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, es gibt schon zu denken, dass unser Bürgermeister das Ruder in der Stadt Gräfenberg bei einem Schuldenstand von rund 3 Mio €, übernommen hat und dieser sich nun bei ca. 7,3 Mio.€, Tendenz steigend, befindet. Diese katastrophale Steigerung ist keinesfalls nur den mageren Standortfaktoren anzulasten. Wann haben wir z. B. das letzte Mal erlebt, dass sich eine Kostenschätzung, nach der der Stadtrat eine Maßnahme beschlossen hat, am Schluss als realistisch erwiesen hat? Widerspruchslos werden Kostensteigerungen, Massenmehrungen, Regierechnungen etc. akzeptiert und bezahlt (Beispiel aus jüngerer Zeit: Renovierung altes Rathaus). Auch in diesem Bereich erwarten wir mehr Rückgrat und mehr Disziplin.
Die Fraktion der SPD wird dem vorliegenden Haushalt zustimmen, um eine weitere politische Arbeit in Gräfenberg zu ermöglichen.
Der mittelfristige Finanzplan muss nach den kurzfristig neu auf dem Tisch liegenden Zahlen unseres Erachtens noch einmal diskutiert und nachgebessert werden. Ihn in der vorliegenden Form zu genehmigen wäre politisch opportunistisch und verantwortungslos. Deshalb werden wir den Finanzplan ablehnen.
Ernst Seckendorf, Fraktionssprecher SPD